Dieses schöne Röhrenradio hat mein Mitleid geweckt. Durchnässt und vom Zahn der Zeit geschunden, gelangte es schlieslich in meine Hände und bat um Heilung. Als gebürtiger Dresdner, mit Verwandten, die einst im Sachsenwerk tätig waren, konnte ich dieser Bitte nicht widerstehen. Als Nachkriegsgerät in den Jahren 1953/54 gebaut, empfängt es die Wellenbereiche L,M,K und UKW. Vergleichbar mit dem Grundigradio 196W/UKW verfügt es auch über keinen eigenständigen UKW- Tuner. Die AM- Mischröhre ECH11 muss diese Aufgabe mit übernehmen. Zur Empfindlichkeitssteigerung ist eine HF- Vorstufe mit einer EF14 vorgesehen. Zur FM- Demodulation kommt hier wiederum das Prinzip der Flankendemodulation zur Anwendung.
Das Gehäuse hat eine Menge Wasser abbekommen. Die Gehäuseteile sind entleimt. Nach Ausbau des Chassis und der Schallwand mit Lautsprecher konnten die Gehäuseteile ohne Kraftaufwand auseinander genommen werden. Der Fall sieht hoffnungsloser aus als er es ist. Zunächst geht es darum alle abgehobenen Furnierstellen wieder fest mit dem Tragholz zu verleimen. Danach werden alle Teile vom Lack und der darunterliegenden Beize befreit. Handelsüblicher Abbeizer hat sich als sehr wirksam erwiesen. Dieser löst die Lackschicht an, die sich dann mit einer Ziehklinge wegschieben lässt. Nachwaschungen mit Nitroverdünnung und Ammoniaklösung sorgen für eine lackfreie Oberfläche. Mit Schleifpapier mittlerer Körnung wird ein erster Anschliff gewagt.
Die Verdrahtung macht einen unversehrten Eindruck. Bei einigen der Papierkondensatoren quillt seitlich die Vergussmasse heraus. Da es die Absicht des Besitzers ist, dieses Gerät hin und wieder zu betreiben, werden alle Papierkondensatoren gegen axiale Wickelkondensatoren neuerer Bauart mit entsprechender Spannungsfestigkeit getauscht.
Sechs Wochen sind inzwischen vorüber und die Arbeiten an diesem Gerät sind abgeschlossen. Nach einer gründlichen Reinigung aller Teile mit Druckluft, feiner Stahlwolle und einem Reinigungs -und Polierset mit auswechselbaren Einsätzen (rotierende Minidrahtbürsten aus Messing und Stahl) wurden die Widerstände überprüft und Kondensatoren ausgetauscht. Im Netzteil mußten Lade- und Siebkondensator gewechselt werden. Die Röhren wurden mit einem "Funke W18N" überprüft. Alle Röhren sind noch brauchbar (50% - 70%). Korrodierte Oberflächenabschnitte des Chassis wurden nach der Entrostung mit Zink - Alufarbe behandelt. Die Blechblende hinter der Skalenscheibe wurde ausgebaut und nach gründlicher Reinigung mit hellem Spachtel gesprizt und dann weiß lackiert.
Das Lautsprecherchassis hatte, wie die meisten Teile, zahlreiche Anrostungen. Die textile Umhüllung war nahezu zerfallen. Hier half meine Frau mit ihren Nähkünsten. Ein Kreiszuschnitt mit 40cm Durchmesser aus gazeähnlichem Stoff bildet die Grundlage. Der Rand wird ca. 1cm umgeschlagen und vernäht. Dieser so entstandene Hohlsaum wird an einer Stelle geöffnet. Jetzt kann mit einer kleinen Sicherheitsnadel ein reißfester Bindfaden eingezogen werden. Der Lausprecher wird jetzt mittig auf den Soff aufgesetzt. Durch verzurren der Bindfadenenden wird der Lautsprecherkorb bis zum Anfang der Feldspule wieder mit Stoff eingehüllt. Die sensiblen Teile, wie die in den Lautsprecherkonus eintauchende Schwingspule, sind vor dem Eindringen kleiner Fremdkörper geschützt.
Nun strahlt es wieder das Radio aus Opa's Zeiten. Das Gehäuse war die größte Herausforderung. Die entleimten Einzelteile wurden völlig von Lackresten und Beize befreit. Bei der aufgebrachten Originalbeize gelingt das natürlich nur bedingt, da sie ja in das Furnier eingedrungen ist. Mit Spiritus uns Salmiakgeist wurde die Oberfläche nachbehandelt. Am hartnäckigsten waren die Wasserflecken auf der Gehäuseoberseite ( da wo zu oft die Blumenvasen stehen). Nun konnten die Gehäuseteile wieder mit Kaltleim neu verleimt werden. Das mußte in mehreren Etappen geschehen. Schraubzwingen verschiedener Größe sorgten für den notwendigen Anpressdruck. Nach mehrtägiger Aushärtezeit der Verleimung konnte endlich der Aufbau einer neuen Oberfläche beginnen. Beizen mit Buche dunckel, Zwischenschliff, nochmals Beizen mit weigstens anschließender 3- tägiger Trockenzeit. Als Decklack wählte ich Schelllack in Form von Streichlack aus. In der Frontpartie des Gehäuses erfolgte der Auftrag mir einem Pinsel und auf der Oberseite und den Seitenflächen mit einer Schaumstoffrolle. Nach 14- tägiger Trocknung nahm ich einen Zwischenschliff mit Naßschleifpapier vor. Dann erfolgte der zweite Lackauftrag.
Aus meiner Sicht kann sich das Gerät wieder seinen Verehrern zeigen. Die Empfangsleistungen sind im MW- Bereich am besten. Die Empfindlichkeit im UKW- Bereich ist unzureichend. Ab ca. 500µV Eingangsspannung ist Empfang möglich. Der ZF- Verstärker hat keine Begrenzereigenschaften und das Prinzip der Flankendemodulation genügt den heutigen Ansprüchen keinesfalls. All das ist dem Gerätebesitzer nicht so wichtig. Als Zeitzeuge in der Technikgeschichte nimmt diese Gerätegeneration einen bedeutsamen Platz ein und das ist die Erschließung eines neuen Wellenbereiches, der vor dem 2. Weltkrieg nur auf dem militärischen Sektor eine Rolle spielte.